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Wie das richtige Dämpfersetup finden? Grundlagen Fahrwerk und Einstelltipps
12.03.2013, 21:59 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 29.03.2013 05:13 von the bruce.)
Beitrag #22
RE: Wie das richtige Dämpfersetup finden? Und Grundlagen Fahrwerk von Wolfgang Weber
Weil ab und zu gefragt wird wie die Dämpfer bei Bilstein B16, Sachs Performance oder Öhlins
Road & Track eingestellt werden und ich im Sachs-Thread versprochen hatte zu diesem Thema
einen eigenen Thread zu eröffnen will ich das endlich mal tun und stelle hier eine brauchbare
Vorgehensweise vor.
Es geht NICHT darum einen Rennwagen für Bestzeiten vorzubereiten, sondern lediglich einem
einstellbaren Fahrwerk ein ausgewogenes Setup zu verleihen, denn das erreicht man leider
kaum, indem man einfach nur auf 'Mitte' dreht.


Vorweg ein Tipp für alle, die es genauer wissen wollen:

Jungs, wenn ihr unsicher seid wie ihr die Dämpfung einstellen sollt, dann lest mal das Buch
"Fahrdynamik in Perfektion" von Wolfgang Weber. Das beschreibt das gesamte Fahrwerks-
thema am besten und vor allem von allen Fachbüchern für den Laien am verständlichsten.
WW geht auch ausführlich auf getrennt in Zug und Druck einstellbare Fahrwerke ein.
Das tue ich hier vorerst nicht, sondern ich beschränke mich vorerst auf kombiniert in Zug-
und Druckstufe einstellbare Gewindefahrwerke wie das Bilstein B16 PSS10 und das Sachs
Performance sowie das Öhlins Road & Track.

Für mich war der Punkt, dass mittlerweile in der Dämpfkraft einstellbare Fahrwerke wie das
Bilstein B16, KW Variante 2 und 3, Sachs Performance oder auch das exklusivere Öhlins Road
& Track eine gewisse Verbreitung finden. Insbesondere KW und Bilstein sind schon lange keine
Nischenprodukte mehr.
Gleichzeitig ist aber die Verwirrung bei der überwiegenden Mehrheit der Besitzer dieser Fahr-
werke sehr groß, wie man ja auch in diesem Forum öfter liest.

Dabei ist es gar keine Frage, dass nicht jeder das "Optimum" (was auch immer das ist) rausholen
wird. Wer das will muss sich entweder ein paar Jahre mit der Materie beschäftigen oder zu
Raeder Motorsport, Wolfgang Weber oder Horst Boes etc. gehen.

Trotzdem ist es immer noch weitaus besser sich ein wenig mit dem Dämpfer-Setup zu beschäfti-
gen und sich dabei vielleicht von erfahreneren Usern helfen zu lassen als einfach nur pauschal
rundum auf die Mitte bei "5 Klicks" (Bilstein) bzw. "10 Klicks" (Sachs) zu stellen wie es bisher nach
meiner Erfahrung die Allermeisten tun. Das ist meist ein Fehler, siehe Punkt 7..



Wie geht es rein technisch/handwerklich?


Halb so schlimm wenn man es mal gemacht hat, jedenfalls bei Sachs, Bilstein und Öhlins.
Man braucht kein Werkzeug und kommt ganz ohne Hebebühne und Wagenheber an die großen
Einstellknöpfe. Man sie ertasten wenn man erst mal halbwegs weiß wo sie sitzen. Noch besser,
ihr guckt euch das einmal im angehobenen Zustand an, dann wisst ihr hin fassen müsst.

Bilder sagen bekanntlich mehr als 1000 Worte:

Bilstein B16 vorne:

[Bild: bilstein-b16-pss9-coilovers-audi-a4-b5-%...3116-p.jpg]

Bilstein B16 hinten:

[Bild: BilsteinB16Pss10.jpg]

Bei Sachs ist es genauso, nur dass die Knöpfe rot statt blau sind:

[Bild: 13922772kd.jpg]

[Bild: 13922773aj.jpg]

Öhlins (hier für den M3):

[Bild: 13922774nb.jpg]


Wenn ihr Rechtshänder seid, dann schlagt die Lenkung ganz nach rechts ein. So kommt ihr gut
an die Einstellrädchen an der VA. Linkshänder dürfen jetzt raten was sie am besten tun sollten.

Big Grin

Es empfiehlt sich lediglich eine saubere Unterlage auf den Boden legen oder eine alte Jacke
anzuziehen, zumindest hinten muss man sich flach legen, vorne geht es bei eingeschlagener
Lenkung auch auf den Knien.



Also, wie geht man nun konkret am besten vor?


1. vorweg: stellt die Dämpfer nicht zu hart ein, sonst wird es a) unnötig unangenehm und b)
leidet der Bodenkontakt auf schlechten Straßen. Es sollte auch klar sein, dass ihr das Gewinde
nicht zu tief gedreht haben solltet damit noch genug Federweg bleibt. Denn ohne Federweg
kein federn, das sollte logisch sein. Haltet euch exakt an die Herstelleranleitung und dreht
weder tiefer, noch höher als erlaubt (beides ist gefährlich). Siehe Zitat ganz unten.

2. eigentlich gibt es für die vorhandenen Federn nur eine passende Dämpferabstimmung
und die ist sowohl für den Komfort als auch die Fahreigenschaften das Optimum. Es gibt da
vielleicht eine Bandbreite von +-20 %, was man als Geschmackssache bezeichnen kann, aber
darüber und darunter wird es eben suboptimal (überdämpft oder unterdämpft). Dieses
Diagramm zeigt das ganz gut:

[Bild: damping_definitions.jpg]

Links Nachschwinger, also Dämpfer zu schwach. In der Mitte überdämpft, Dämpfung zu hart
und das Rad kann kaum ein- und ausfedern. Rechts sieht man wie es sein soll.

3. für die Einstellung der Balance zwischen Vorder- und Hinterachse sucht euch unbedingt
eine passende Teststrecke. Das kann eine (leere) Landstraße mit ausgeprägten langhubigen
Bodenwellen oder eine Autobahn sein. Evtl. ist auch ein Bahnübergang ok, der sich flott, aber
gefahrlos überfahren lässt.
Hierbei kann man feststellen ob beide Achsen ''parallel' durchfedern. Durchfedern klappt na-
türlich nur wenn ihr nicht auf Anschlag hart gedreht habt, weil sonst gar nichts mehr federt,
siehe oben. Also tastet euch von unten heran, von der weicheren Einstellung her.

4. Ein-Klick-Schritte sind nicht immer leicht nachvollziehbar (besonders bei Dämpfern mit 20
und mehr Stufen, bspw. Sachs). Geht deshalb zunächst in Schritten von zwei oder drei Klicks
vor. Erst wenn ihr nahe am Optimum seid sollte man in Ein-Klick-Stufen feinjustieren.

5. spätestens wenn ihr vier oder fünf mal nachgestellt habt habt ihr die Übersicht verloren -
jede Wette !! Ratet mal woher ich das weiß . . .
Also macht euch Notizen, schreibt euch von Anfang an auf was ihr wo einstellt. Dann habt
ihr immer den nötigen Überblick und geratet auch nicht in Gefahr immer härter und härter
zu stellen.

6. gewöhnt euch die Denkweise in "-" (Minus) an. "0" ist ganz "zu", also ganz hart (nach rechts,
also im Uhrzeigersinn). Dann (nach links) wird aufgedreht wie bei einem Wasserhahn und damit
immer weicher, bis "-10" (bei Bilstein) oder "-20" (bei Sachs). Das hat gute Gründe. Die meisten
einstellbaren Dämpfer besitzen nur bei "ganz zu", also "0" einen mechanischen Anschlag. Dann
dürfen sie maximal die 10 bzw. 20 Klicks weicher gestellt werden und niemals weiter !!

7. Die Dämpfereinstellung muss nicht zwingend vo + hi gleich sein. Das liegt auch daran, dass
die Fahrwerke ja für verschiedenste Modelle verwendet werden, siehe Gutachten. Oft werden
auch für unterschiedliche Modelle zwar andere Federn verwendet, aber die gleichen Dämpfer.
Ein Passat Variant TDI ist bspw. deutlich schwerer als ein Scirocco 1.4 TSI.

8. Deshalb stellt die Balance auf einer geeigneten Teststrecke nach eurem ''Popometer'' ein,
dann passt es. Ein ausgewogenes Federungsverhalten ist so gut wie immer auch fahrdynamisch
ideal. Eine heftige Bodenwelle sollte keinen bis maximal einen Nachschwinger produzieren, auf
keinen Fall mehr. Sonst wird es auch schaukelig. Verlasst euch ruhig etwas auf euer Gefühl.
Und siehe auch Punkt 2.

Denkt nur daran, dreht nicht zu hart:


So weich wie möglich, so hart wie nötig !! :!:


Ich kann das für das KW V3 mit getrennter Einstellung von Zug und Druck ergänzen wenn daran
Interesse bestehen sollte. Spätestens dafür lohnt es sich aber o.g. Buch zu erwerben. Wer sich
ein Fahrwerk für 1500,-- € kauft, der wird auch noch 25,-- € für saugutes ein Buch haben.

Ansonsten bin ich für Ratschläge gerne zu haben und wer Fragen hat, der fragt. Danke für eure
Aufmerksamkeit.

:thumbup:



Noch ein Lesetipp für sportliche Fahrer:

http://farnorthracing.com/autocross_secrets6.html





ps:
Übrigens, anderes Thema, aber auch wichtig - das hier gilt für ALLE Gewindefahrwerke:


the bruce,'index.php?page=Thread&postID=918419#post918419 schrieb:Ich muss aus gegebenem Anlass (noch) mal was loswerden, auch wenn ich es mglw. schon mal gesagt habe:


Bei der Höheneinstellung bitte aufpassen: Absolut gleiche Abstände am Kotflügel sind nicht
immer erzielbar und auch nicht um jeden Preis erstrebenswert. Wichtiger sind links wie
rechts gleiche Abstände am Gewinde selbst. Noch besser wären gleiche Radlasten, aber
wir wollen es nicht übertreiben. Wer aber versucht mit Gewalt gleiche Abstände am Radlauf
zu erzwingen, der sollte folgendes wissen:

1.
Karosserie, Fahrwerk und Federn unterliegen gewissen Toleranzen, die in Summe schon ein
paar Millimeter ausmachen. Außerdem ist die Gewichtsverteilung li/re nicht gleich und schon
gar nicht unbeladen.

2.
Wenn man nun versucht das Auto (meist leer und sogar ohne Fahrer) auf exakt gleiche Abstände
zu zwingen, dann muss man meist sehr ungleiche Abstände an den Gewindeeinheiten einstellen
bzw. man tut genau das ohne es überhaupt zu merken.
Das führt aber zu sehr ungleichen Radlasten bzw. zu noch ungleicheren Radlasten als sowieso
schon. Das ist alles andere als egal !!

3.
Was bedeutet das?

Ein Beispiel:

Radlast ideal mit Fahrer:

vo li 420 kg, vo re 420 kg, hi li 410 kg, hi re 410 kg


Radlast nach der "Verschlimmbesserung":

vo li 400 kg, vo re 440 kg, hi li 430 kg, hi re 390 kg


Die beiden Räder vorne rechts und hinten links drücken als stärker auf die Fahrbahn. Und, das
ist der entscheidende Punkt, sie bestimmen damit auch die Richtung.
Denn die Räder laufen ja nicht geradeaus, sondern man hat i.d.R. eine gewisse Vorspur und
negativen Sturz und beides lässt jedes Rad "nach innen" lenken.
Und je höher die eingestellten Werte für Spur und Sturz ausfallen umso stärker wirken sich auch
Ungleichheiten in den Radlasten aus.

So stehen die Räder von oben betrachtet und die beiden "dominierenden" Räder habe ich mal
hervorgehoben (Fahrtrichtung wie üblich nach oben):

/....\

/....\

Wenn man mal logisch denkt, dann erkennt man leicht, dass beide dominierenden Räder das
Auto nach links drehen, also entgegen dem Uhrzeigersinn. Die weniger belasteten Räder können
nicht ausreichend "gegenhalten" - trotz eigentlich "perfekter" Spureinstellung (links wie rechts
exakt gleich).

Das wirkt sich dann folgendermaßen aus:

Das Auto lenkt trotz perfekter Werte auf dem Achsmessprotokoll nach links bzw. um gerade-
aus zu fahren muss man nach rechts lenken - das Lenkrad steht schief und keiner weiß warum.


4.
Die Konsequenz daraus? Wie so oft: Wer an seinem Auto "tunt" und schraubt sollte ein klein wenig
die Hintergründe kennen und im konkreten Fall besser auf gleiche Abstände am Gewinde einstellen,
natürlich links und rechts gleich an jeder Achse. Zwischen VA und HA natürlich gerne am Kotflügel,
aber auch da ist immer der vom Hersteller im Gutachten angegebene Bereich am Gewinde einzu-
halten.
Nun muss man es nicht gleich übertreiben. Ein normales Alltagsauto mit den üblichen Federraten
reagiert nicht so sensibel auf unebene Höheneinstellung wie ein Rennwagen mit rund 10-fach härte-
ren Federn. Hinzu kommt, dass man es im Alltag sowieso mit wechselnden Beladungszuständen zu
tun hat. Aber:
Man muss nun die Radlasten nicht auch noch grob verschlechtern weil man es (zu) gut meint mit den
Abständen am Kotflügel und so gleichzeitig den Geradeauslauf verschlechtert.
Es ist sicher nicht nötig mit einem 08/15-Gewinde beim Spezialisten die Radlasten einstellen zu lass-
sen, aber es macht sehr wohl Sinn auf li/re gleiches Gewindemaß zu achten.


Ich hoffe euch ein klein wenig für diese Problematik sensibilisiert zu haben.

Wink

Gruß, Holger Fahne

[Bild: 13179662vm.jpg]

„Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: schnellere Pferde.“

Henry Ford
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RE: Wie das richtige Dämpfersetup finden? Und Grundlagen Fahrwerk von Wolfgang Weber - the bruce - 12.03.2013 21:59



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