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Bremsflüssigkeit
29.02.2012, 00:17 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 14.09.2013 21:38 von the bruce.)
Beitrag #1
Bremsflüssigkeit
Da wir in letzter Zeit öfter das Thema Bremsflüssigkeit in diversen Bremsenthreads angeschnitten haben
und ich außerdem vermehrt per PN nach Rat gefragt worden bin habe ich mir vorgenommen mal einen
"Informationsthread" rund um dieses Thema zu starten, der zwar etwas "sportlich" gefärbt ist, aber auch
für Otto Normalfahrer hilfreich sein soll.
Beginnen will ich mit einer Einführung, die verständlich machen soll wozu BF überhaupt da ist und welche
Anforderungen an sie gestellt werden, sowie mit einer Übersicht der mir bekannten käuflichen BFen (von
nun an kürze ich das lange Wort mal ab).



Nun, worum geht's?

BF dient der Übertragung von Kräften (hydraulisch) vom Bremspedal über den Hauptbremszylinder auf die
einzelnen Radbremsen. Das geht deutlich verlustärmer als mit Seilzügen oder Gestänge (was man heute
eigentlich nur noch bei Fahrrädern und Anhängern macht).
Das Problem ist, dass BF in der Lage sein muss Wasser aufzunehmen und zu binden. Denn Wasser"lachen"
in der Bremse würden a) zu Korrosion führen und b) würde dieses Wasser schon bei 100° kochen. Das darf
nicht sein. Eine siedendende BF führt ggf. zum Totalausfall weil Dampf kompressibel ist.
Deshalb werden hygroskopische BFen verwendet, sie nehmen also Wasser auf. Außerdem bieten diese BFen
einen ausreichend hohen Siedepunkt von um die 200° selbst noch wenn sie schon etwas Wasseranteil besitzen.

Weil der Wasseranteil aber mit der Betriebsdauer steigt ist ein turnusgemäßer Wechsel (bei BMW heute alle
zwei Jahre; früher war das sogar jährlich) unvermeidlich. Im professionellen Rennsport wird sogar vor jeder
Veranstaltung gewechselt.


Ich zitiere mal aus Wikipedia:

Bremsflüssigkeit ist eine Hydraulikflüssigkeit, die in der hydraulischen Übertragungseinrichtung von Fahrzeugbremsen verwendet wird. Insbesondere versteht man hierunter die Flüssigkeiten auf Polyglykol-Basis. Die von manchen Fahrzeugherstellern (beispielsweise Citroën) in der Bremsanlage verwendeten Hydraulikflüssigkeiten auf Mineralölbasis werden üblicherweise nicht als Bremsflüssigkeit bezeichnet, schon allein um eine gefährliche Verwechslung zu vermeiden.

Bremsflüssigkeiten bestehen in der Regel hauptsächlich aus Polyglykolverbindungen (vor allem den Monomethylethern und Mono-n-butylethern des Triethylenglykols und des Pentaethylenglykols, zudem geringen Anteilen Diethylenglykol) sowie weiteren Bestandteilen (beispielsweise Korrosionsschutzmitteln) in geringerer Konzentration. Seltener und in Spezialfällen (Oldtimer, Armee, Fahrräder usw.) kommen Silikonflüssigkeiten und Mineralöle zum Einsatz.

Der (Trocken-) Siedepunkt beschreibt die Eigenschaft der versiegelten, neuen Bremsflüssigkeit.

Der Nasssiedepunkt wird nach Zumischung von ca. 3,5 % Wasser gemessen und beschreibt die Eigenschaft der auf Polyglykolen basierenden Bremsflüssigkeiten am Ende des Lebenszyklus. Während der Benutzung wird der beschriebene Temperaturbereich vom Siedepunkt bis zum Nasssiedepunkt beschritten.

Das United States Department of Transportation (DOT) beschreibt im Standard Nummer 116 Minimalanforderungen an Bremsflüssigkeiten in drei Klassen (DOT 3, DOT 4, DOT 5).[1] DOT 5 wird weiter unterschieden in DOT 5 Silikonbasis und DOT 5.1 Nicht-Silikonbasis (Glykolbasis).



Nochmal, warum Trocken- und Nasssiedepunkt?

Trocken bedeutet im Neuzustand ohne Wasseranteil. Nass bedeutet hier also mit einem definierten
Wasseranteil von 3.5 %. Nun ist es schön und gut, wenn eine BF im Neuzustand gut funktioniert.
Leider nimmt aber jede BF mit der Zeit etwas Wasser aus der Luft auf, und damit sinkt auch deren
Siedepunkt (bei Wasser liegt er ja schließlich nur bei 100°). Und damit eine BF nicht kurz vor dem
alle zwei Jahre fälligen Wechsel zu einem Problem wird (bspw. auf der Urlaubsfahrt in den Bergen)
muss man eben auf den Nasssiedepunkt das Hauptaugenmerk legen.
Der Nasssiedepunkt ist also die deutlich problematischere, praxisrelevantere und damit wesentlich
wichtigere Angabe für den Alltagsfahrer. Er steht für den "Worst Case" einer gut zwei Jahre alten BF.

Nebenbei: Wer ohnehin kurz vor dem Wechsel steht und voll beladen in die Berge fahren will, der
sollte ernsthaft darüber nachdenken, den Wechsel vorzuziehen.


Hier mal eine Übersicht der wichtigsten Anforderungen der heute üblichen DOT4 und DOT5.1 sowie
zum Vergleich der alten DOT3:


Parameter ................................. DOT 3 ... DOT 4 ... DOT 5.1
Trockensiedepunkt [°C] ...,,,.......,,... 205 ...... 230 ...... 260
Nasssiedepunkt [°C] ....................... 140 ...... 155 ...... 180
Viskosität bei 100 °C [mm²/s] ............ 1,5 ...... 1,5 ...... 1,5
Kälteviskosität bei bei 40 °C [mm²/s] . 1500 ..... 1800 ...... 900

Wichtig sind insbesondere Nassiedepunkt (der Trockensiedepunkt ist weniger ein Problem) und Kälteviskosität
(bei +100° sind sie alle dünnflüssig genug) !!



Hier nun die versprochene Übersicht diverser BFen:


Marke..........DOT Rating......Trocken- bzw. Nasssiedepunt


(alle BF mit besonders hohem Nasssiedepunkt sind fett hervorgehoben)



Amsoil DOT 4 - DOT 4 - 580°F (304°C) / 410°F (210°C)

AP Racing 551 - DOT3 - 527° F (275° C) / 302º F (145º C)

AP Racing 600 - DOT3 - 590° F (310° C) / 410° F (210° C)

AP PRF Racing - DOT4 - 608° F (320º C) / 311° F (155º C)

Ate SL6 - DOT4 + ISO6 - 509° F (265° C) / 347° F (175° C)

Ate Super Blue - DOT4 - 536º F (280º C) / 390º F (194º C)

Ate Super 200 - DOT4 - 536º F (280º C) / 390º F (194º C)

BMW OEM - DOT4 - 446° F (224° C) / 311° F (156° C)

Bosch - DOT3 - 491º F (255º C) / 288º F (142º C)

Bosch - DOT4 - 509º F (265º C) / 329º F (165º C)

Bosch - DOT4+ - 536º F (280º C) / 356º F (180º C)

Brembo LCF 600+ - DOT4 - 601º F (316º C) / 399º F (204º C)

Brembo HTC 64T - racing only !! - 634º F (335º C) / ???º F (???º C)

Brembo EVO 500+ - DOT4 - 520º F (271º C) / 336º F (169º C)

Carbone Lorraine High Perf. Racing - DOT 4 - 617° F (325° C) / 383° F (195° C)

Castrol GT LMA - DOT4 - 509º F (265º C) / 311º F (155º C)

Castrol SRF - DOT4 - 590º F (310º C) / 518º F (270º C)

EBC BF 307+ - DOT4 - 589° F (307° C) / 386° F (196° C)

Endless RF-650 - DOT4 - 612° F (323° C) / 425° F (218° C)

Endless S-Four High-Perf. - DOT4 - 567° F (297º C) / 366º F (187º C)

Ferodo Racing DOT5.1 - DOT5.1 - 500° F (260° C) / XXXX (XXXX)

Ferodo Racing Formula - DOT4 - 572° F (300° C) / XXXX (XXXX)

Ferodo Racing Super Formula - DOT4 - 625° F (330° C) / XXXX (XXXX)

GS610 - DOT4 - 610° F (321° C) / 421° F (216° C)

Gunk HD - DOT4 - 510º F (266º C) / 311º F (155º C)

Millers Racing 300 Plus - DOT4 - 590° F (310° C) / XXXX (XXXX)

Motul DOT 5.1 - DOT5.1 - 509º F (265º C) / 365º F (185º C)

Motul RBF 600 - DOT4 - 594º F (312º C) / 402º F (205º C)

Motul RBF 660 - DOT4 - 617º F (325º C) / 400º F (204º C)

Neo Super DOT16 - DOT4 - 610° F (322° C) / 421° F (216° C)

Pentosin Super - DOT4 - 500° F (260° C) / 338° F (170° C)

Pentosin RBF - DOT4 - 572° F (300° C) / 392º F (200° C)

Performance Friction RH665 - DOT4 - 617° F (325° C) / 395° F (195° C)

Project µ G-four 335 - DOT4 - 634° F (335° C) / 429° F (221° C)

Prospeed RS683 - DOT4 - 683° F (360° C) / 439° F (224° C)

Ravenol DOT4 - 500° F (260° C) / 329º F (165° C)

Ravenol DOT5.1 - 500° F (260° C) / 356º F (180° C)

Tarox Roadrace - DOT4 - 583° F (314° C) / 402° F (205° C)

TRW Grand Prix 600 - DOT5.1 - 594º F (312º C) / 400º F (204º C)

ValvolineProSyn - DOT3/4 - 527º F (275º C) / 347º F (175º C)

Wilwood Hi-Temp 570 - DOT3 - 570º F (299º C) / 284º F (140º C)

Wilwood EXP600 Plus - DOT4 - 633º F (330º C) / 417º F (213º C)


[Bild: pmu%20g-four%20boil%20temps.jpg]


Viele Hersteller haben darüber hinaus eigene Normen, bei VW ist das J 1704 FMVS16 Audi/VW 501.14.
Zumindest Ate SL6 erfüllt diese Norm.

http://www.ate.de/generator/www/com/de/a...pdf_de.pdf

Die Ate SL6 erzielt einen TSP von 265° und einen NSP von 175° C.
Die Kaltviskosität liegt bei max. 700 mm²/s (bei Super 200 und Super Blue Racing max 1400 mm²/s).


Damit wären wir beim nächsten Thema, der Viskosität:

Wer in einer Gegend wohnt, in der es im Winter kräftig kalt wird, der ist also mit Ate SL6 oder einer
DOT5.1 besser bedient. ABS und DSC funktionieren dann feinfühliger und schneller als mit einer DOT4
weil DOT5.1 selbst bei arktischer Kälte deutlich dünnflüssiger bleiben und somit die Ein- und Auslass-
ventile von ABS/ESP auch schneller arbeiten können.

Grundsätzlich können aber auch alle DOT4 und DOT5.1 in jedem VW verwendet werden. Von den
einfacheren DOT3 rate ich dagegen ab !!
Die Anforderungen an die DOT5.1 sind bezüglich Siedepunkt und Niedrigtemperatur höher als bei der
älteren DOT4-Norm. Beide werden auf Polyglykolbasis hergestellt. DOT5.0 auf Silikonbasis dürfen nicht
in einem aktuellen BMW verwendet werden.


Jetzt mag sich mancher fragen warum viele teure BFs ''nur'' DOT4 erfüllen und nicht DOT5.1. Wink

Die üblichen Motorsportfluids übertreffen die DOT5.1 hinsichtlich Siedepunkt meist deutlich, erfüllen
diese Norm aber dennoch nicht weil sie bei arktischen Temperaturen für DOT5.1 zu dickflüssig sind.
Bei -40° schreibt die DOT5.1 maximal die Hälfte der Viskositätswertes vor, den die DOT4 erlaubt. Das
ist natürlich in skandinavischen Ländern oder in Russland nicht unwichtig für die ESP-Funktion.

Nun ist es so, dass glykolbasierte BFs hygroskopisch sind (und das ist auch gut so weil Wasser gebunden
wird). Das setzt natürlich mit der Zeit den Siedepunkt herab und kann zu Korrosion führen. Deshalb
muss BF regelmäßig gewechselt werden. Wenn man die Bremse öfter sehr hart ran nimmt sollte das
vielleicht besser jährlich geschehen (Vorgabe von VW: Neuwagen erstmals nach drei Jahren, dann alle
zwei Jahre).


Was also tun (sprach Zeus)?

Nun, wer sein Auto ganz normal nutzt, der bleibt bei BMW und dem normalen Wechselintervall.
Eine höchstwertige Alternative für den Alltagsfahrer ist Ate SL6.
Wer viel Leistung in Zaum halten muss, sein Auto stärker beansprucht oder sogar mal eine
Rennstrecke besucht, der darf und sollte mal über ein Upgrade und einen häufigeren Wechsel
nachdenken.
Unschlagbar ist die Castrol SRF, aber extrem teuer und die meisten werden das nicht brauchen.
Ein guter Tipp sind noch die beiden Motul und die beiden Ate. Und wer die bernsteinfarbene
Ate Super 200 und die blaue (wer hätte das gedacht) Super Blue abwechselnd benutzt wird es
beim Wechsel leicht haben zu erkennen wann die neue BF aus den Nippeln rinnt. Man sieh es
sofort an der Farbe.


Hier habe ich noch ein tolles PDF, das erklärt wie eine PKW-Bremse funktioniert:

http://www.agvs-beo.ch/cmsfiles/bremsen_am.pdf

Wink

Gruß, Holger Fahne

[Bild: 13179662vm.jpg]

„Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: schnellere Pferde.“

Henry Ford
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